- Entscheidungsfindung und Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse

Januar 2014: 192,6 kg
Als ich das erste Mal etwas von Adipositas OPs hörte, damals ging es um ein Magenband, liegt wohl schon mehr als 20 Jahre zurück. Damals begeisterte sich eine Freundin dafür und erörterte das Thema begeistert mit jeden, der es hören wollte.
Interessanterweise entwickelte ich währenddessen eine absurde Eifersucht auf ihren offen ausgesprochenen Wunsch "spielend" schlank werden zu wollen. Ich konnte das einfach nicht zugeben, da ein solches Vorgehen in meinem Kopf eine schändliche Schwäche darstellte, schließlich wusste doch jeder, dass Abnehmen weh tun muss.
Ich war damals fest davon überzeugt, dass nur großes Leid verhindern würde, wieder zu viel zu essen. Je mehr ich also beim Abnehmen litt, um so nachhaltig würde die Abnahme sein. Liefe alles "richtig", so würde ich am Ende so viel Angst vor dem Essen zu haben, dass ich es nie wieder wagen würde, auch nur daran zu denken.
Ich machte also weiter wie immer: restriktive Diäten, extensives Essen, intensiver Sport. Bis in die 1990ziger hatte ich mich damit auf etwa 150 kg hoch-diätet und in den folgenden 20 Jahren kamen noch weitere 40 kg dazu.
Im Sommer 2013 schmerzten meine geschwollene und steifen Gelenke bei jedem Schritt und Tritt, ein Bandscheibenvorfall (aus 2006) macht mir zu schaffen und das Thrombose-Knie (aus 2009), wahrscheinlich durch die lange Schonhaltung, war kraftlos geworden und knickte immer wieder unter mir weg.
Die Kellertreppe zu bewältigen kostet mich enorme Anstrengungen, einkaufen gehen wurde zur Ultra-Sport-Session und der leicht ansteigende Weg in unseren Gartenanteil hinterm Haus brachte mich fast zum Kollabieren. Ich schlief schlecht, wachte immer wieder mit Atemnot und stechenden Kopfschmerzen auf, und nickte deswegen während des Tages immer wieder ein. Mir kam der Gedanken, dass es eine Erleichterung wäre, wenn ich mich zu Tode zu essen könnte.
Ende Oktober 2013 kam eine Bekannte aus Österreich ins Spiel, die einen Bypass bekam und mich bewog meine alte Einstellung zum Thema Adipositas OP grundlegend zu überdenken. Ich wusste bereits, dass eine Morbus Crohn-Diagnose (aus 2009) keine Kontraindikation für eine Adipositas-OP sein würde, und ich hatte in der S3-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas von Juni 2010 gelesen, dass „eine relevante Gewichtsbeeinflussung, bei Vorliegen eines BMI ≥ 60 kg/m2, auch unter multimodaler Therapie nicht zu erwarten sei“ und damit eine Kostenüberübernahme der Krankenkasse als wahrscheinlich galt.
Ich schrieb meiner Bekannten davon und witzelte darüber, wie schön es doch wäre, wenn ich auch einen BMI von über 60 hätte und somit keine Probleme eine Adipositas OP zu bekommen. Aus Spaß entstaubte ich meine verhasste Personenwaage, stieg darauf und bekam den Schock meines Lebens: 192,7 kg / BMI 62.
Bis heute bin ich gleichermaßen fasziniert und erschrocken darüber, was kognitive Dissonanz bewirken kann. Bedeutung: ein für die menschliche Psyche unerträglicher Zustand (ich bin stark übergewichtig), der widersprüchlich zu den Überzeugungen steht (so schlimm ist es doch nicht) steht.
Am nächsten Morgen hing ich am Telefon und hatte nicht nur einen Termin bei einer Ernährungsberatung, sondern auch mit absolut jedem Arzt vereinbart, der mir einfiel, und der mir nützlich sein könnte, a) meine Status quo zu ermitteln und b) mir eine Kostenübernahme der Krankenkasse einzuholen (damals der Standardablauf).
Was das Adipositas-Zentrum betraf, so wandte mich an die nächstgelegene Anlaufstelle, das Universitätsklinikum Mannheim. Doch als sich dieser Termin sich für mich nicht "richtig anfühlte", wechselte ich zum Adipositaszentrum Frankfurt Sachsenhausen; wo ich dann auch operiert wurde.
In den nächsten Wochen sauste ich von einem Termin zum nächsten und hatte das Gefühl immer mehr statt weniger Fragen zu haben. Ich intensivierte meine Recherchen zum Thema im Internet, besuchte meine erste Selbsthilfegruppenstunde und informierte mich in einem großen Sport- und Therapiezentrum in der Nachbarstadt zum Thema Funktionssport für 200kgler; wo ich übrigens, ganz zu meiner Freude, im Angebot wöchentliches Aquajogging entdeckte.
Da ich Ärzte immer gemieden hatte, kamen die Tiefschläge nun reihenweise. Neben den ersten hilfreichen Attesten gab es jeden Menge niederschmetternden Diagnose und viele Folgetermine. Einerseits war das natürlich ein „Erfolg“, denn jedes "Problem" steigerte meine Chancen auf Kostenübernahme, doch so aus dem Nichts heraus und in dieser Menge, war das alles nicht so einfach zu verkraften.
Ein herber Rückschlag für mich war, dass ich, die von mir gewünschte OP-Methode (ein Magenbypass oder noch lieber eine biliopankreatische Teilung mit Switch, je restriktiver, desto besser war mein Motto) nicht bekommen würde. Wegen meines "aktiven" Morbus Crohns (aktiv = weil die Erkrankung mindestens einmal ausgebrochen war und damit der Darm als extrem anfällig und „brüchig“ gilt) war keiner der Chirurgen bereit, mehr als einen Schlauchmagen zu verantworten.
Zu diesem Zeitpunkt, Anfang des Jahres 2014, war ich kurz davor aufzugeben. Schuld daran waren mal wieder die Ärzte, die (damals) den Magenbypass als Gold-Standard bezeichnet und den Schlauchmagen mit deutlich geringeren Aussichten auf Erfolg gehandelt haben. Ich war mich sicher, dass ein Schlauchmagen nicht weit genug ginge, um meinem Körper zu zwingen abzunehmen.
Womöglich lag es auch daran, dass es für mich eine sehr schmerzvolle Aufgabe war, mich in Bewegung zu setzten. Doch je mehr Termine ich wahr nahm, desto mehr kam ich … in Bewegung, unter Menschen, in neue Situationen und ins (soziale) Leben zurück. Erste Erfolge stellten sich ein und damit auch ganz leise und für mich völlig überraschend, neuer (Lebens-)Mut.
5 Monate nach meinem ersten Arzt-Termin, Ende März 2014, hatte ich endlich alles Notwendige zusammengetragen, um erfolgreich einen Antrag auf Kostenübernahme bei meiner Krankenkasse zu stellen. Ich hatte mich auch eine lange, ungemütliche und belastende Wartezeit eingestellt, doch nach nicht einmal 14 Tagen kam die Zusage und einen OP-Termin für den 18. Juni 2014.
Text überarbeitet im Juli 2025.
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